J. Monika Walther
Che Faro

Che Faro 2024

Weitere Jahrgänge anzeigen

Che Faro 2023

Che Faro 2022

Che Faro 2021

Che Faro 2020

Che Faro 2019

Che Faro 2018

Che Faro 2017

Che Faro 2016

Che Faro 2015

Che Faro 2014

Che Faro 2013

Che Faro 2012

Che Faro 2011

Che Faro 2010

Che Faro 2009

Che Faro 2008

Che Faro 2007

Che Faro 2006

Che Faro 2005

Che Faro 2004

Che Faro 2003

Che Faro 2002

Che Faro

Was mache ich heute?

Oktober 2013

Che farò senza Euridice, che farò senza il mio ben', dove andrò...

Euridice und Orpheus – wurde von Orpheus als Junge oder Vati geredet, davon ist nichts überliefert. Er gilt als Sänger, Liebhaber, Held oder auch Mörder, je nach Sichtweise der Erzähler und Opernregisseurinnen. Ein paar Frauen hatten von seinen Auftritten genug und haben ihm den Kopf abgerissen und die Harfe zerschlagen. Letzteres sollten Frauen öfters tun.

Euridice hätte wie alle Frauen das Zeug zum Mädel oder zur Mutti oder auch als junge Botschafterin in den Medien für eine Welt, in der alle jung sein und bleiben müssen, auch wenn die Älteren das Geld, die Posten und das Sagen haben. Junge Frauen suggerieren die Zukunft, nicht als Frau, nicht als eine Stimme für eine zu verändernde Gegenwart und Zukunft, sondern als junge Stimme. Die junge Frau als ein Wert für sich, die alte Frau als die Unsichtbare, deren Falten und Knicke aber hervorgehoben werden. Die junge Frau, die zwar ein mediales Leitbild geworden ist, aber nichts zu sagen hat. So wenig wie das Mädel ein Entwurf in der Frage: Wie wollen wir leben?

Mit Mutti ist es nicht ganz so einfach. Mutti hat inzwischen Macht errungen. Angela Merkel ist die mächtigste Frau zumindest der europäischen Nachkriegsgeschichte. Angela Merkel wird von den männlichen Kommentatoren als Mutti bezeichnet und die Männer haben die Legende geschaffen, dass keiner mit ihr spielen wollte oder ihren Apfelkuchen essen. Welche Selbstüberschätzung. Viele Jungen wollen an ihrem Tisch sitzen.

Alle Frauenbilder sind bis heute von Männern gemacht und – sind „noch immer unfassbar altbacken“ (Iris Radisch). Es hat sich wenig geändert seit Euridices Zeiten und in den letzten Jahrhunderten. Die öffentlichen Bilder von Frauen entstehen durch männliche Kommentare. Die Zuschreibungen sind die einer von Männern imaginierten Weiblichkeit und sie entstammen immer noch aus der reaktionären Mottenkiste der deutschen Kulturgeschichte: Aus dummen Mädels (immerhin jung) werden übergangslose unattraktive Muttis. Danach war die junge Euridice hübsch, aber einfältig. Mit dem Älterwerden müssen Frauen verschwinden, ihre Plätze räumen, unsichtbar werden oder sie werden zu Mutti und immer mit Häme bedacht, auch wenn sie über Geld oder Macht verfügen. Ein attraktives weibliches Rollenvorbild gibt es für Euridice auch heute nicht. Soll sie also sterben, in der Hölle bleiben! Die Kreise der Männer nicht stören.

Wie sehen die Selbstentwürfe der Frauen aus? Angepasstes Verschwinden in Businesskleidung mit Aktenkoffer, nicht zu unterscheiden von den männlichen Kollegen oder – das ausgepolsterte, aufgespritzte, kichernde Flittchen: Nur nackte Frauen werden gerne wahrgenommen oder solche, die sich ausziehen. Und dann gibt es noch Angela Merkel, die zur Mutti herunterdekliniert wird. Dabei haben die deutschen Männer genug von der Emanzipation (hat sich in den letzten 100 Jahren so viel geändert?), die Genderdiskussion hat sich ins Unverständliche verabschiedet: Ein neuer Entwurf, neue Rollen für Frauen fehlen, neue Frauenbilder – von Frauen bestimmt: Wie wollen wir leben?

Was wünsche ich mir? Leben und Gesundheit für meine Familie. Ein dringlicher Wunsch. Und dass ich selber noch friedlicher älter werde, ohne mich so sehr zu beunruhigen, was nicht mehr geht und wie die Welt enger wird.

Was tue ich? Demnächst erscheinen eine Reihe von E-Books im Verlag Groschenromane. Mich freuen, dass die Vier Dithmarscher Fälle mit Kommissar Simonsberg, die vom Weltenrand handeln, sich so gut verkaufen.

Und noch einmal: Glücklich sein heißt, ohne Schrecken seiner selbst inne werden (Walter Benjamin).

Jay