J. Monika Walther

Querfeldein

Querfeldein - Gedichte 160 Seiten

ISBN 3-937844-83-X 12,50 €

Dem Band ist eine CD mit den von J. Monika Walther gelesenen Gedichten beigefügt.

Erscheinungstermin: Oktober 2005 im Geest Verlag.

Noch lieferbar: In der Traumwäscherei ist Arbeit - Gedichte. Frankfurt 1990

Ansichtskarte See

Glitzert Raureif im Sonnenlicht
glitzert Schmutzgold in der Nacht
Am Tag Kletterrosen weiß
Backstein und Fachwerk
Kaffee und Kuchen
komm kommt schön hier
Fahrt über den See
quer nicht längs
komm kommt schön hier

Da drüben hinter dem See
weit weg jenseits der Himmelspforte
glitzert Raureif im Sonnenlicht
Ravensbrück hinterm Schilf.
Keine Aussicht aufs Ende.

Bestiarium

Darf ich meinen Freund vorstellen?
Ja den, den einen von dreien,
die eine von diesen Dreien,
die also, diese Freundin,
die von drei Freundinnen oder Freunden.
Darf ich vorstellen?
Zuerst die Dritte dann die Zweite und so weiter.
Viel weiter geht es dann nicht, es geht gar nicht weiter als bis zum dritten Finger. Bei drei hört es auf. Aber da sind noch Bekannte, sehr gute Bekannte, beste Bekannte, gute und bekannte Bekannte, um mich herumstehende Bekannte, die sich auch bekennen – zu Aldi und Chanel, Dell und -
also bekennende Bekannte sind, jede Bekannte ein Markenzeichen für sich, weniger bekannte Markenzeichen, aber eben mir bekannt oder den mir bekannten Bekannten bekannt, sich selbst und sie halten sich für bekannt. Miteinander und auch mit mir und ich mich mit ihnen. Jede einzelne mir Bekannte verkörpert eine Hoffnung, dass ich mir bekannter werde und sie sich zu mir bekennen, später, nach Aldi und der Frau und dem Mann, später, aber dann doch, später.
Wenn sie sich mit anderen bekannt gemacht haben, also mit jenen, mit denen sie von ganzem Herzen bekannt sein möchten, weil jene ihnen helfen im Leben voran zu kommen. Jene, die sie anschauen, wenn sie mich anschauen, mit einem Blick mich und über mich hinweg zu Jenen, denen sie auffallen wollen, weswegen sie mich mit dem halben Mund anlächeln, mich und ein Auge und der andere halbe Mund und das schräge Gesicht lächelt zu jenen, die auch nicht gemeint, aber wichtiger sind. Später also - wenn sie alle ihre schlechten oder ihre guten Taten getan haben, deren sie sich so gerne schuldig bekennen möchten. Die guten Taten und guten Bekenntnisse und das Gerechte richtig getan. Sagen sie: Ich war’s. Ich! Ich allein, fast allein. Ich besser. Ich! Ich kann nicht anders, weil Protestantin, Ökologin, Feministin, die Welt durchschauende Wissenschaftlerin, Freundin der Alten und Hilflosen. So viel gute und richtige Taten, die getan werden müssen.
Darf ich Ihnen meine Freundin vorstellen, die erste von allen, die drei sind, mehr sind es nicht, aber diese drei, die sind es. Darf ich?
Wenn es mir keine Umstände macht!
Die macht es mir, herumstehend umherum um die drei Freundinnen, rennend. Nach ihnen rennend und nach mir. Im Spagat, dass ich sie halte und mich noch kenne und sie mich dann noch kennen und ich mich kenne und -

die letzte Kundin kann auf mich pfeifen.

Skizze